»Wir machen das Spiel, das ihr gern hättet.«
Was wie ein nettes Zugeständnis klingt, ist die größte Lüge der Videospiel-Branche. Mikrotransaktionen, Lootboxen, Gaming as a Service. Vollpreistitel mit Ingame-Shop. Mit Booster-Packs. Und jede Menge Schnickschnack. Der Krebs unseres wunderschönen Hobbys. Jeder weiß es, dennoch befällt er uns … solange bis auch wir sagen:
»Halt den Mund und nimm meine Seele!«
Ich bin schuldig, das gebe ich offen zu. Auch ich habe kosmetische Items gekauft, mein Geld in Lootboxen gesteckt und manchmal am Ende sogar das Gefühl gehabt, dass es sich gelohnt hat. Ich bin einer von vielen, der jährlich Millionen in die Kassen der Publisher spült. Einer von viel zu vielen. Ein Umstand, der es mir verbietet, mit dem Finger auf andere Leute zu zeigen, aber es kotzt mich an. Es kotzt mich so sehr an, dass ich am liebsten nur noch Indie-Titel spielen würde. Scheiß auf EA! Scheiß auf Dragon Age und Mass Effect. Scheiß auf Bethesda! Scheiß auf Fallout.
Moment. Nein. So einfach ist es dann doch nicht.
Wir leben im Zeitalter der Cashgrab-Spiele. Es ist Kapitalismus und ein hausgemachtes Problem in einer Welt, die von Geld regiert wird. Denn Geld war schon immer verführerisch. Wer einen Euro machen kann, wäre schön blöd, wenn er nicht versuchen würde, aus diesem Euro fünf zu machen.
Ich kann die Unternehmen verstehen, so sehr ich mich auch gegen diesen Gedanken sträube. Sie haben erkannt, dass sich die Käuferschaft leicht melken lässt, wenn man nur genügend Gras zur Verfügung stellt. Nicht einmal das saftige grüne Gras, meistens reicht doch eine Handvoll Stroh. Waffenskins, Reittiere mit verschiedenen Texturen oder Lootboxen, aus denen man sowieso nur ein gestreiftes Shirt zieht. Was für ein MMO ein gängiges Modell ist, ist längst in der Vollpreis-Spielwelt angekommen. Und da hat es, meiner Meinung nach, nichts zu suchen.
Vielleicht wäre das alles nur halb so schlimm, wenn die Geldmacherei nicht auf dem Rücken der Qualität ausgetragen werden würde. Ein trauriges Beispiel ist PlayerUnknown’s Battlegrounds. Ein Spiel mit einem simplen, aber genialen Spielprinzip. Ein Spiel mit Potenzial, aus dem so viel hätte werden können, aber irgendwann kamen nur noch Lootboxen. Was interessieren die Serverprobleme? Die Bugs und Glitches, wenn man doch so einfach Geld mit dem Verkauf von Schlüsseln machen kann, die die leichtgläubige Spielerschaft verwendet, um das oben genannte gestreifte Shirt aus den Boxen zu ziehen.
Mikrotransaktionen sind salonfähig geworden, gemeinsam mit Fastfood-Spielen. Damit meine ich all jene, die schnell produziert sind, um den größtmöglichen Gewinn ab zugreifen. Ideenlos und billig. Immer dasselbe, was dennoch gekauft wird, weil der Hunger einfach niemals gestillt ist. Wie ein Fifa.
Der Widerstand wächst. Es regt sich etwas im Staate Dänemark, Spiele wie Battlefront 2 sind zurecht verschrien. Lootboxen stehen auf dem Prüfstand und müssen entfernt werden, weil sie nichts anderes als Glücksspiel sind. Und dennoch kommt es mir so vor, als wären das nur die sprichwörtlichen Tropfen auf dem heißen Stein. Denn das Konzept funktioniert, und ich sehe es nicht sterben, solange ein winziger Teil der Spieler noch immer mehr als die Hälfte des Gewinns aus Mikrotransaktionen ausmacht. Es ist ein Kampf gegen Windmühlen, doch es ist einer, dem wir niemals müde werden dürfen, wenn wir Spiele wirklich lieben.
Die Leidenschaft für ein Franchise ist unsere Achillesferse. So verbinde ich mit einem Star Wars so viel wunderschöne Stunden, dass ich es gar nicht wahrhaben will, dass es zugrunde geht. Es liegt nicht nur an einzelnen Rollen, so wie ein Battlefield 5 auch nicht deswegen scheitern wird, weil Frauen auf dem Schlachtfeld stehen. Es ist das Gesamtbild, das nicht passt. Das Ausquetschen bis auf den letzten Cent. Ein lieblos hingerotztes Ergebnis, das man als »Fan« nur hassen kann.
Es gibt Spielemarken, von denen habe ich immer gesagt, dass ich mit ihnen bis an Ende gehe. Ein Mass Effect, ein Dragon Age. Nun muss ich feststellen, dass ich genau dort angekommen bin. Ich habe Bioware geliebt. Ich habe jedes DLC gekauft. Ich bin so lange dabei, dass ich sogar noch den Begriff Addon in diesem Zusammenhang kenne. Mass Effect liegt auf Eis, und ich sehe kein Dragon Age in naher Zukunft, auch wenn es immer wieder heißt, dass daran gearbeitet werden würde. Mass Effect: Andromeda war ein Fastfood-Spiel – hübsch aufpoliert – aber eben doch lieblos. Es ging darum, Geld zu machen. Bioware hat sein Gesicht verloren und auch seine Seele.
Das Sterben der Großen
Dem Tod von Bioware erliegen immer mehr Studios, beinahe verzweifelt klammert man sich an Vertreter wie Obsidian oder CD PROJEKT RED, die als Fels in der Brandung erscheinen. Die nicht sterben dürfen! Die beweisen, dass gute Spiele ohne Shop-Blödsinn und schwarze Zahlen auch auf dem gleichen Blatt stehen. Stehen können, wenn man nicht der Gier verfällt.
Was ich nun schreibe, fällt mir schwer, aber dennoch kann ich darüber nicht schweigen: Ich sehe Bethesda denselben Weg wie EA gehen. Den dollarnoten-gepflasterten Cashgrab-Weg, der früher oder später an mir vorbei führt. Ich bin nur noch da, weil ich nicht anders kann … und weil ich, wie bei Star Wars, nicht wahrhaben will, dass meine heilige Kuh zur Melkkuh geworden ist.
Fallout 76. Ich habe es in meiner letzten Kolumne verteidigt und ich stehe immer noch dazu, dass man dem Spiel eine Chance geben sollte. Dass man nicht die verurteilt, die sich darauf freuen, aber ich bin ehrlich: Ich glaube nicht daran, dass es ein großer Wurf wird. Keine NPCs. Kein Offline-Modus. Ein Ingame-Shop, der im gleichen Atemzug wie das Spiel selbst angekündigt wurde. Und immer wieder die Lüge davon, dass man das Spiel machen möchte, welches sich die Spielerschaft wünscht. Welche Spielerschaft? Die mit der dicksten Brieftasche?
Ich glaube nicht mehr an den Weihnachtsmann. Mir kam man nicht alles erzählen. Nicht mehr, nachdem ich Bioware habe sterben sehen. Ich glaube nicht das Märchen vom ehrlichen Todd Howard, der mir erzählt, dass es nur kosmetische Items geben wird und man damit die Serverkosten sowie Weiterentwicklung des Spieles decken möchte.
Auch ein Fallout 4 hat einen Creation Club, und wer stellt sich ernsthaft hin, um zu behaupten, dass das dort erwirtschaftete Geld in die Verbesserung des Titels laufen würde. Fallout 4 hat genug eingespielt, um alle Bugs und Probleme zu beseitigen. Doch die Wahrheit ist, dass wir noch immer denselben Fehlern begegnen wie an Tag 1.
Nein Bethesda, ich glaube eure Märchen nicht.
Die Zeit der Indie-Spiele
Aber gibt es eine Lösung?
Einen Ausweg aus der Spirale aus schlechten Spielen, Mikrotransaktionen und leeren Versprechungen? Nachdem ich im Rahmen dieser Seite bereits viele neue Indie-Titel spielen dürfte, haben sie sich für mich als Anker erwiesen. Der einzige Ausweg ist der, Fastfood-Spiele zu meiden, auch wenn das bedeutetet, ein liebgewonnenes Franchise fallen zu lassen.
Wer dennoch Spaß an solchen Spielen hat, dem sei es gegönnt. Ich verurteile niemanden, der Lootboxen kauft oder ein Outfit aus dem Ingame-Shop. Aber ich bin an einem Punkt, an dem ich sagen kann: Ohne mich. Und das fühlt sich gut an. Das Leben ist zu kurz, um sich über schlechte Star Wars-Filme zu ärgern oder gestreifte Shirts aus virtuellen Boxen zu fischen. Da spiel‘ ich doch lieber etwas Gutes.
Similicious
Die Frau mit Tausend Namen. Similicious. Simi. Lily Ashby. Zockerin aus Leidenschaft seit 1993. Seitdem hat sie nicht nur Kultur- und Geschichtswissenschaften eingehend studiert, sondern auch die Videospiellandschaft. Simi ist Hauptschreiberling und Obertroll der Brückentroll Crew.
Danke Similicous
Das ist ein verdammt gut recherchierter Beitrag und dazu ein sehr ehrlicher Aufruf, sich mehr Gedanken darüber zu machen, wie korrupt=käuflich wir doch eigentlich sind. 😀
Womit kann man mich „kaufen“?
hmm…
Es macht bei mir z.B. schon einen Unterschied zwischen einem „guten“ und einem weniger guten (MMO-)RPG aus, ob ich am Ende eines Verlieses oder Dungeons oder einer geschachtelten Quest einen adäquaten Lohn erhalte.
Nichts ärgerlicher als sich ev. über Stunden durch eher öde, gleichaussehende karge Landschaften zu grinden und am Ende bekommt man? – eine grüne (= 2t-schlechteste von 5 Stufen) 2-H-Waffe, die man nicht benutzen will (weil man einen Bogi spielt) und die man erst in 7 Jahren tragen könnte, weil man nicht genug Kraft dafür hat oder das Level dafür noch nicht erreicht o.ä.
Kein Wunder, dass da manch Einer dann gerne nach der Wünschelrute greift. (oder cheats…same Prob)
Die Psychologie, die bei den Lootboxen dahintersteckt ist genau auf diese unsere Schwachpunkte abgezielt und dabei ebenso vielschichtig.
!Gerne wählen wir dann irgendwann (nachdem wir ja so fleissig waren und nicht ausreichend belohnt worden sind??) doch den „kurzen, leichten Weg“ zum Erfolg. Kostet ja nur ein paar Euro.!
(Deshalb stehen auch die Süßigkeiten im Supermarkt gleich am Eingang und an der Kasse)
Hatte Bethesda die Kosmetikitems nicht schon in TESO eingebaut. Ich meine, wenn ich für ein Reittier schon beinahe 10-20€ hinblättern muss, dann ist das EA Niveau. Zum Vergleich: The Witcher 3: Blood and Wine war gerade mal in diesem Preissegment angelegt und war beinahe ein eigenes Spiel. Bethesda ist für mich an dem Tag gestorben, als es meinte, den Creation Club ins Leben zu rufen. Auf dem Papier eine tolle Sache, da ich gute Modentwickler unterstützen konnte, in die Umsetzung allerdings eher Geld an Bethesda für etwas verschenken, was sie selbst nicgt entwickelt haben.
Ich glaube, man könnte fast schon die legendäre Pferderüstung als erstes „kosmetisches“ Item bezeichnen. Die hat Bethesda damals für 2€ für Oblivion angeboten. Vor über 10 Jahren. 😀
Bethesda ist ja dann ein Vorreiter in ,,Ingame-Käufe“. 😀
Traurig, aber wahr. Leider ist das so. 😉
Mit Oblivion wurden auch die DLC’s erfunden damals, genau mit den Pferderüstungen.
Wollen wir ein schönes fettes DLC bauen? Neeee lieber einzelne Items für 2,50€ verkaufen! Von denen wir in einem ganzen DLC gut 1000 stück hätten es aber nur für 10-20€verkaufen könnten.